KN-03 - Orientierung mit Karte und Kompass

 

verfasst 2011 - geändert am 18.03.2011

 

In diesem Beitrag möchte ich ein wenig über den Umgang mit Karte und Kompass erzählen und von meiner Tourenpraxis plaudern. Natürlich hat man das alles schon einmal in der Schule gehört. Aber wie so oft gerät das Erlernte allmählich in Vergessenheit, wenn man es nicht ständig anwenden muss. Darum gehe ich hier nur grob auf die einzelnen Möglichkeiten ein, um das alte Schulwissen wieder in das Gedächtnis zurückzurufen.

 

1 - Ausrichten der Karte im Gelände

 

Wenn man mit der Karte arbeiten will, möchte man sie an seinem Standort auch so legen, dass sie mit den geo- und topographischen Begebenheiten einigermaßen übereinstimmt, um sich im Gelände orientieren zu können.

 

Dazu gehört die Nordausrichtung. Mit einem Hand-Kompass ist das kein Problem, auch nicht mit dem fest montierten Bootskompass auf dem Kajak. Man peilt über die Bussole Nord an, merkt sich einen Punkt im Gelände und richtet den oberen Rand der Karte auf diesen senkrecht aus oder mit Hilfe einer Gitterlinie (am einfachsten an einer an den Kartenrändern entlang, in Süd-Nord-Richtung). Ebenso kann der Verlauf der Küste, einer Straße, eines Flusses, einer Gebirgskette, eines Tals usw. als Hilfsmittel für dieGeländeanpassung der Karte verwendet werden. Man muss dann die Objektlinien mit denen in der Karte parallel (lagegleich) ausrichten.

 

Schwieriger wird es, wenn man mit der Karte für eine Rundumsicht auf einen Aussichtspunkt (Hügel, Klippe, Turm usw.) steigt und den Bootskompass nicht mitnehmen kann. Dann richtet man die Karte nach bestimmten markanten Punkten (Berg, Insel, Ortschaft usw.) aus, indem man über die Karte hinweg von seinem Karten-Standort über den Karten-Bildpunkt zu dem wahren Ort im Gelände peilt. Die Karte ist genau nach Norden ausgerichtet, wenn man die Karte so lange dreht,bis die beiden Punkte in der Karte und der wahrer Ort im Gelände eine gerade Linie bilden. Man kann anschließend über die einfache Kartenpeilung Berge, Ortschaften, Inseln usw. sehr leicht bestimmen.

 

2 - Ermitteln des eigenen Standorts

 

Beim Küstenpaddeln dürfte es keine großen Schwierigkeiten bereiten, den eigenen Standort auch ohne Hilfsmittel in der Karte feststellen zu können. Eine Standlinie ist immer bekannt: Das ist die Wasserlinie der Küste. Weil man an der Küste entlang gepaddelt ist, kann man meist auch deren Verlauf in der Karte nachvollziehen und so den gegenwärtigen Standort feststellen.

 

Bei langen Stränden, in Albanien sind sie kilometerlang, ist es erforderlich, die zweite Standlinie auf eine andere Weise zu ermitteln. Wenn man auf den Strand zufährt, sucht man sich im Landesinneren einen charakteristischen Punkt, der in der Karte verzeichnet ist, z.B.: den höchsten Berg in der Gegend, den Kirchturm einer Ortschaft, Sendemast usw. Kurz vor dem Anlanden peilt man das Objekt an und merkt sich die Kompass-Peilung. Man kann auch eine Insel dazu verwenden, wenn man den Kajak zum Meer hin dreht z.B. beim Aussteigen, An-Land-ziehen, ja sogar auf dem Land kann man den Kajakbug auf das sichtbare Objekt ausrichten und die Kompasspeilung ablesen.

 

Im Gelände, wenn die Küstenlinie fehlt, bestimmt man von zwei auffälligen Punkten, die möglichst vom eigenen Standort aus in einem rechten Winkel liegen, die Standlinien. Der Kreuzungspunkt der beiden Geraden in der Karte entspricht dem eigenen Standort.

 

3 - Übertragen der Kompass-Peilung in die Karte

 

Zeichnerische Ermittlung der Standlinie von dem anvisiertem Ziel aus:

Peilung mit der berücksichtigten Missweisung (siehe dazu Beitrag KN-04 - "Der Kompass und wie man ihn benutzt") auf die Kompassrose zeichnen und dann über den Mittelpunk hinaus verlängern. So erhält man die umgekehrte Peilung für die Standlinie.

 

Rechnerische Ermittlung der Standlinie von dem anvisiertem Ziel aus:

Kompasspeilung mit der Missweisung berichtigen und danach zur umgekehrten Standlinien-Peilung umrechnen.

- Berichtigte Kompass-Peilung kleiner 180 Grad: 180 Grad dazuzählen, um die umgekehrte Peilung zu erhalten.

- Berichtigte Kompass-Peilung größer 180 Grad: 180 Grad abziehen, um die umgekehrte Peilung zu erhalten.

- Berichtigte Kompasspeilung ist gleich 180 Grad:

Es bleibt jedem selbst überlassen, ob er abzieht oder dazuzählt. Es kommen 0 oder 360 Grad heraus und beides entspricht bekanntlich genau Nord.

 

Diese umgekehrte Peilung vom anvisierten Ziel aus mit einem Geodreieck in die Karte eintragen. Schnittpunkt mit der Küstenline oder Schnittpunkt beider Standlinien ergeben den eignen Standort.

 

4 - Kompasskurs festlegen/überprüfen, eine Empfehlung aus meiner Praxis

 

Bei einer Überfahrt, die für den nächsten Tag geplant ist, visiere ich grundsätzlich den Zielpunkt schon während des Lageraufenthalts mit dem Kajak (Bugspitze) an, sobald ich ihn sehen kann, und stelle den Kompass darauf ein oder merke mir die direkte Kurszahl. Das kann noch im Wasser vor dem Ausbooten passieren oder auch erst an Land beim Lageraufbau, wenn ich die Bugspitze kurz auf mein Ziel ausrichte. Fahre ich in eine Bucht ein, peile ich den Punkt, den ich am nächstenTag erreichen will (wenn er sichtbar ist), bereits vor der Bucht an und merke mir den Kompasskurs. Ich muss mir allerdings dann den Standort der Peilung merken, um von dort aus am nächsten Tag meine Überfahrt zu starten. In der Regel ist es eine Ecke am Buchtbeginn oder die Buchtmitte an der Einfahrt.

 

Somit kann ich den Kompasskurs, den ich am Abend aus der Karte entnehme oder aus meiner Überfahrtenliste, die ich zu Haus zusammengestellt habe, vergleichen und kontrollieren. Ich persönlich verwende lieber den direkt angepeilten Kurs, weil ich dann sicher bin, keinen Übertragungs- oder Rechenfehler von der Karte zum Kompass gemacht zu haben. Wenn ich eventuell die falsche Insel angepeilt habe, stellt sich mein Missgeschick spätestens bei der Überprüfung im Lager heraus. In Dalmatien und in der Ägäis ist mir das alles schon passiert und es ist Glück oder eben meine Vorsicht gewesen, dass ich diese Fehler bei der Kontrolle (Motto: Doppelt genäht, hält besser!) korrigieren habe können.

 

Manchmal kommt es vor, dass am nächsten Morgen der Zielpunkt durch Dunst, Regen usw. nicht sichtbar ist. Somit bin ich dann auf der absolut sicheren Seite und gewiss, dass ich den richtigen Kurs mit der Missweisung ermittelt habe. Gerade wenn die Sicht schlecht ist, muss sehr genau mit der Karte gear- beitet werden. Da ist es gut, wenn man bereits vorher Referenzwerte ermittelt hat, am besten, die zuvor beschriebene direkte Peilung, weil sie am genauesten ist.

 

5 - Noch ein kleiner Hinweis von mir für die Durchführung einer Tagesetappe

 

Während der Fahrt habe ich mir angewöhnt, laufend alles zu beobachten, ständig meine Position zu kontrollieren und den Kompasskurs zu meinem Ziel regelmäßig abzulesen (Feststellen der Abdrift, siehe auch meine Beiträge KT-09 - "Paddle ich auf der Stelle?" und KF-03 - "Stürmische Überfahrt nach Spetse am Peloponnes - 2006" oder sicheres Erreichen meines Ziels, wenn plötzlich schlechtes Wetter die Sicht behindert oder bei aufziehendem Regen, Nebel usw. gar nichts mehr zu sehen ist). Ich habe ja mit meiner geringen Paddelgeschwindigkeit genügend Zeit dazu.

 

Ich beobachte dann:

- den Küstenverlauf nach schönen Plätzen für eine Pause, einen Ruhetag oder für eine Übernachtung (Auch später bei der Rückfahrt oder bei einer Wiederholung der Reise können diese Beobachtungen sehr nützlich sein und haben mir oft schon zu romantischen Lagerplätzen verholfen.);

- Buchten, Kaps, Berge im Landesinneren zur Orientierung und sichtbare Inseln für einen optionalen Ab- stecher (Ich peile dabei ein Ziel an und merke mir den Kompasskurs.);

- für den Tagesabschnitt selbst: Strömungen, Wind und Wellen, um mein Vorwärtskommen und die Ab- drift zu kontrollieren, Abschätzen der Entfernung zur Küste und natürlich das Wetter;

- die vorbeiziehenden Boote und Schiffe und besonders die, denen ich direkt begegne, allerdings nicht aus Neugierde oder Interesse, sondern mehr zu meiner eigenen Sicherheit.

 

Am Ende meines Tagessolls erkunde ich den weiteren Verlauf für den nächstenTag, soweit dieser sicht- bar ist. Bei einer nachfolgenden Überfahrtam nächsten Morgen versuche ich bereits jetzt schon das nächste Ziel auszumachen und zu bestimmen, um den direkten Kurs festzustellen, wie im Abschnitt 4 beschrieben.