BG-01 - Der wichtigste Ausrüstungsgegenstand

 

verfasst 2011 - geändert am 23.11.2011

 

Selbst auf die Gefahr hin, dass ich erneut mit einem Schlagabtausch mit Technik-Enthusiasten rechnen muss, möchte ich in diesem Beitag auf einen Ausrüstungsgegenstand hinweisen, der so alt ist, wie das Outdoorleben selbst, der bei den echten Outdoor-Spezialisten in ihrem Basis-Survivalkit noch jede Modernisierung überlebt hat und der der Ausrüstungsindustrie ein Dorn im Auge ist und ihr einen wahren Boom bescheren würde, wenn dieses Ding, rund 1,3 kg schwer, das ständig am Mann/Frau getragen wird, zumindest für den Outdoorbereich nicht vorhanden wäre. Wenn man die neuere Marketingforschung beobachtet und die aktuellen Trends verfolgt, muss man leider feststellen, dass die Ausrüster zum Großangriff auf dieses banale Equipment blasen und im zunehmenden Maß sogar Erfolg damit haben.

 

Dieses Ausrüstungsteil wird lateinisch „cerebrum” und altgriechisch „enképhalon” genannt. In Deutsch läuft dieser Gegenstand unter der schlichen Bezeichnung „Gehirn” und man bezeichnet damit den im Kopf gelegenen Teil des Zentralnervensystems der Wirbeltiere, insbesondere beim Homo sapiens sapiens. Es liegt geschützt in der Schädelhöhle, wird umhüllt von Hirnhaut und besteht hauptsächlich aus Nervengewebe. 


 

Bild 1: Das Gehirn eines Menschen in einer Computer-Simulation - meines Erachtens das wichtigste Equipment für ein Outdoorleben ... wenn es richtig programmiert ist und auf seiner Festplatte die einschlägigen Daten hochgeladen worden sind. Dann überlebt man sogar ohne ein einziges Hilfsmittel und benötigt nicht einmal das berühmte Survival-Messer.

(Bild-Quelle: Neuroblog von neuro-programmer.de - Bild bearbeitet)

 

Anhand eines Beispiels aus der Autoindustrie möchte ich Euch jetzt aufzeigen, wie es Marketingstrategen schaffen, ihre Produkte in den Markt unter den Begriff „Sicherheit“ einzuführen und wie es ihnen dabei gelingt, teilweise den Bereich des Gehirns beim Menschen ihrer Zielgruppe auszuschalten, der für das logische Denken zuständig zeichnet:

 

Als ich mir das erste Auto gekauft hatte, lag dessen Leistung damals bei 18 PS. Entsprechend schlecht war die tatsächliche Beschleunigung und ich wusste, in welchen Zeiteinheiten ich rechnen musste, einen Lastkraftwagen zu überholen. Da übte ich mich zwangsweise in Geduld, einem damals sehr modernen Truck gemächlich hinterherzuzuckeln. Dementsprechend vorsichtig war ich, wenn ich überhaupt einmal einen Überholvorhang einleiten wollte. Die kleinen grauen Zellen waren entsprechend auf Achtsamkeit, Angst und vorausschauende Fahrweise programmiert!

 

Heute bekomme ich das Auto in der selben Größe und mit der selben Bezeichnung für das 10-fache an Leistung! Mein Autohändler meinte bei der Einführung auf meine Frage, wie sich das Auto denn verkaufe: „Äußerst schlecht! Die 69-PS-Version geht praktisch überhaupt nicht und die100-PS-Variante nur sehr schleppend.“ Auf meine Frage warum denn, wenn man die heutigen Benzinpreise vergleicht, wäre das doch eine sparsame Alternative. Da erklärte mir der Händler: „Die Käufer warten alle auf das zukünftige 135-PS-Auto, das der Hersteller demnächst auf den Markt bringen wird.“ 2009 erhielt der Käufer sogar eine ferarrirote Sonderausgabe des Zwergs mit über 180 PS (über 132 kW)! Heuer, 2011, wird der Hersteller dieses Kraftpaket auf dem Genfer Automobilsalon als Serienwagen vorstellen. Mit einer Beschleunigung von 7 Sekunden von 0 auf 100 km/h lässt sich natürlich nicht nur ein Laster sehr leicht überholen.

 

Die meisten Verkäufer in den renommierten Autohäusern argumentieren für diese kleinen Raketen mit dem Sicherheitsaspekt: „Hast Du mehr PS unter dem Hintern, dauert der Überholvorgang nicht so lange und Du hast somit ein wesentlich höheres Sicherheitspolster!“ Außerdem spekulieren sie darauf, dass der Kunde den vorgeworfenen Köder weiterer Sicherheitsmerkmale schluckt: „Warum denn nicht 180 PS! Mit Knautschzone, ABS, Sicherheitsgurten und Airbags ausgestattet, befindet man sich zusätzlich auf der sicheren Seite. Das alles zusammen ist doch ein Sicherheitspaket, das aufhorchen lässt!“ Die Händler reden von Sicherheit und suggerieren in Wirklichkeit: Du kannst viel schneller fahren, als Du Dir vielleicht vorstellen kannst. Probier's ruhig aus, das Auto ist ja sicher! Dir kann nichts passieren. Kauf Dir das kleine Kraftpacket!

 

Bedauerlicherweise übernehmen viele Autokäufer gerade diese äußerst fragwürdigen Argumente, wenn sie einen „Schlaglochspion“ mit 180 PS ordern und von vernünftig überlegenden Freunden auf die Gefahren hingewiesen werden. Und sie merken nicht einmal, wie sie dem Autohändler auf dem Leim gegangen sind. Denn all diese scheinheiligen „Sicherheitsaspekte“ fördern nur den Entschluss, auch dann noch zu überholen, wenn bei einem normalen Fahrzeugführer im Oberstüberl schon längst die Alarmglocken schrillen. Schaut Euch in den einschlägigen Foren und bei den Unfallberichten um und Ihr werdet genügend Beispiele als Begründung für das von von mir Vorgebrachte finden. Die angeblich erhöhte Sicherheit ist nur ein äußerst fadenscheiniges Argument, sich so ein Auto mit nur 3,55 Meter Länge und mit 225 km/h Höchstgeschwindigkeit anzuschaffen.

 

Eine kleine Rechnung entlarvt diese Werbelügen. Wenn dieser Flitzer mit der Höchstgeschwindigkeit auf der deutschen Autobahn gegen einen Brückepfeiler knallt, weist er dabei die selbe Energie auf, als wenn der Asphaltzwerg aus einer Höhe von knapp 200 m (genau: 199,1 m) herunterfällt und schlicht auf einem Betonboden aufschlägt. Ob da alle vom Händler gepriesenen Sicherheitspakete dem Fahrer und seinen Insassen helfen würden, zu überleben? In Wirklichkeit wird nur die Risikobereitschaft wesentlich erhöht, allerdings immer häufiger mit fatalen Folgen. Der heutige Mensch schaltet bei diesen ihm vorgegaukelten Überlegungen einfach die natürliche Warnfunktion seines Gehirns aus!

 

Dasselbe passiert im Prinzip auch beim Seekajaking. Wenn man sein modernes Equipment durch die an die Einsatzbedingungen speziell angepasste Kajaks (Wildwasser, Flüsse, Küste, Meer) und die modernen Hilfsmittel der Ausrüster wie Trockenanzug, Neopren-Long-John, Schwimmweste, Paddel-Float, Handy, Satelliten-Navigation usw. so optimiert, wird man auch beim Kajaking in neue Dimensionen des Möglichen vordringen, die man vor einigen Jahren noch gar nicht gewagt hatte, zu diskutieren. Da steuert man nicht mehr schon bei 5 bis 6 Beaufort das sichere Ufer an, was ich heute trotz Schwimmwest noch immer mache, sondern vielleicht erst bei 8 oder gar 9 Beaufort. Während ich bei 6 Beaufort noch gut durch die Brandungswellen komme, das sagt mir meine Erfahrung und mein gesunder Menschenverstand, sieht das bei 8 Beaufort schon etwas anders aus. In einem Dumper, Clapotis, Overfall oder Kreuzsee möchte ich bei 8 oder 9 Beaufort nicht geraten, auch nicht mit Schwimmweste und den Rest der mitgeführten Sicherheitsausrüstung. Selbst bei der perfekten Beherrschung der Kenterrolle würde ich es nicht wagen, mich diesem Risiko auszusetzen. Bereits nach einigen Zwangs-Eskimorollen in einer Clapotis oder schweren Kreuzsee sind die Kräfte aufgezehrt und man selbst den Elementen ausgeliefert.

 

Mit diesem Beitrag möchte ich einmal die Gefahr aufzeigen, dass durch verbesserte Ausrüstung auch die Risikobereitschaft des Seekajak-Nutzers steigt und die Hemmschwelle merklich herabgesetzt wird. Den großen Vorteil, den das Sicherheitsequipment für den Seekajaker bietet, allerdings nur unter den selben Bedingungen und nur mit dem eigenen Empfinden der Gefahr wie vor deren Einführung, wird durch die Selbstüberschätzung zum Vabanquespiel und man steht in puncto Sicherheit wieder am Anfang. Nur wenn man auch mit seinem Verstand auf der sicheren Seite bleibt und permanent Selbstdisziplin übt, bietet dieses zusätzliche Equipment eine erhöhte und sinnvolle Sicherheit.

 

Überspitzt ausgedrückt: Was nützt es, wenn ein Betreuer einer Jugendgruppe in einem Ferienlager beim „Erlebnis-Rafting“ einem Kind eine Schwimmweste verpasst, es in ein Kanu setzt und dabei missachtet, dass das Kind überhaupt nicht schwimmen kann. Früher war Schwimmen eine Grundvoraussetzung beim Paddeln! Oft hört man dann lapidar: „Wieso muss es schwimmen können, hat doch eine Rettungsweste an!“ Das nur ironisch am Rande zum heutigen Gruppenzwang und zur aktuellen Betreuerbefähigung im 400-Euro-Segment mancher privaten Erlebnisparks. Wenn ein Betreuer seine Schützlinge dazu animiert, wegen der „guten, modernen“ Ausrüstung sich der natürlichen Angst zu widersetzen, handelt er bewusst verantwortungslos. Da ist es gleichgültig, ob die Kinder die Gefahr selbst erkannt haben oder nicht, denn sie vertrauen blind auf die Fähigkeiten ihres Leaders.

 

Wenn der erwachsene Nutzer aufgrund seiner Sicherheitsausrüstung oder seines modernen Equipments selber entscheidet, ob er ein erhöhtes Risiko eingeht oder nicht, so liegt die Verantwortung in seinen eigenen Händen.

 

In mehreren Beiträgen habe ich bereits auf die Problematik von Thermomembranen hingewiesen, die nur bei einem hohen Themperaturunterschied von innen nach außen funktionieren. Auch geht aus einzelnen Posts bei den Outdoorseiten hervor, dass Thermomembrane bei längerem Gebrauch im Meerwasser ebenfalls ihren Zweck verlieren, weil die Salzkristalle scheinbar die Membranporen verstopfen und so der Vorteil eines Trockenanzugs verloren geht. Fatal allerdings, wenn man zu dieser Erkenntnis erst auf einer Tour gelangt, die im Prinzip nur mit dieser „modernen“ Ausrüstung in Angriff genommen werden konnte. Dasselbe gilt für das Handy oder sonstiges modernes Kommunikationsmittel. Wer eine Extrem-Tour mit der persönlichen Einstellung wagt, im Ernstfall kann ich den Notdienst anrufen und mich retten lassen, sollte sich einmal überlegen, für wen der Seenotrettungsdienst eigentlich geschaffen worden ist: für in wirkliche in Not geratene Seeleute oder für leichtsinnige Sportbootfahrer, die zwar die richtige Ausrüstung benutzen, nicht aber ihren vernünftigen Menschenverstand und ihr angeborenes Gefühl für Gefahr und somit einen Seenotrettungseinsatz provozieren und billigend in Kauf nehmen.

 

Auf meinen Seekajakreisen bin ich wegen der vorausschauenden Planung und kritischen Abwägung noch nie in wirkliche Seenot geraten oder habe mich retten lassen müssen. Selbst bei einem Paddelbruch  mit anschließender Kenterung in schwerer See zwischen dem Festland und einer Insel habe ich keine Hilfe gebraucht und dank meinen Kenntnissen und meiner Erfahrung mir selber helfen können. Darum vertrete ich die Meinung, dass jeder selbst seines Glückes Schmied ist, solange er nicht fremde Hilfe annehmen muss. Fatal wir es aber, wenn er mit dieser Hilfe wissentlich kalkuliert!

 

Die wichtigsten Dinge in einem Survival-Kit sind Kenntnisse, Wissen, Erfahrung, logisches Denken und der vernünftige Menschenverstand. Also alles was man in den kleinen grauen Zellen in dem separaten Kit über dem Hals gespeichert hat, das stiehlt keiner und einmal angeschafft, geht es auch kaum verloren oder lässt sich schnell wieder regenerieren. Erst dann folgt die Hardware! Wenn man zum Beispiel weiß, wie man eine Sense dengelt und anschließend abzieht, hat man beim Verlust eines wertvollen Messers kaum Probleme, ein wirkungsvolles Schneidewerkzeug, z.B. ein Ulu aus einem Blechstreifen und wenn nichts anderes vorhanden, aus einem schlichten Konservendosendeckel, als kurzzeitigen Ersatz durch Kaltverformung herzustellen.

 

Für mich persönlich ist diese „Ausrüstungssoftware“ der wichtigste Bestandteil, den ich im Survivalbereich einsetzen kann. Allerdings bietet dieses Tool kein Outdoorausrüster an und ist somit unbezahlbar. Außer- dem bin ich der Meinung: „Was ich im Kopf habe, brauche ich nicht kaufen und mitschleppen!“ Das gilt für mich insbesondere im Bereich der Orientierung, in dem heutzutage besonders die Werbetrommel im EDV- Segment gerührt wird. Mir persönlich reicht beim Wandern oft eine topographische Karte entsprechenden Maßstabs aus, ohne irgend ein Zubehör aber mit den gerade im Outdoorbereich von vielen Wanderern gewünschten Vorteilen versehen: leicht, klein, zuverlässig, billig und einfach zu handhaben, wenn man sich zuvor über das Kartenlesen einmal generell Gedanken gemacht hat. Meine etwas sehr einseitig konservativen Ambitionen beziehen sich dabei auf die normale Orientierung beim Wandern, speziell beim Küstenwandern, bei dem bereits eine Standlinie schon vorgegeben ist, nicht aber auf das Geocaching, das als eigenes Betätigungsfeld angesehen werden muss.

 

Liebe Outdoorfreunde, ich möchte Euch dazu animieren, auch den weiten Bereich des Wissens in Eure Tourenplanungen mit einzubeziehen, zumal wenn ihr am Anfang Eurer Outdoorkarriere steht. Ihr braucht nur die „Alten Hasen“ zu befragen und Ihr werdet bestimmt mit einer Fülle an Inforationen über Wissen, Kenntnisse und Erfahrungen überschwemmt, aus denen Ihr dann schöpfen könnt. Dazu sind ja speziell die einzelnen Foren geschaffen worden.

 

In loser Folge möchte ich Euch in weiteren Beiträgen erklären und Hinweise geben, wie ich zu den Kennt-nissen und dem Wissen eines „Einsamen Wolfs“ beim Paddeln und Küstenwandern gelangt bin.