BG-09 - Normierte Entscheidungshilfe - Paarvergleich

 

verfasst 2011 - geändert am 30.11.2011

 

In diesem Beitrag beschreibe ich eine Methode einer Entscheidungshilfe, die für das Leben, im Beruf ebenso einsetzbar ist, wie im Outdoor-Bereich. Ich habe die Darstellung so gewählt, dass sie speziell für das Leben draußen passt und das Verfahren an einem vereinfachten Beispiel beim Seekajaking erklären.

 

Wenn Ihr auf Tour geht: zu Fuß, auf dem Fahrrad oder im Boot, dann nehmt Ihr eine Vielzahl an Ausrüstungsgegenständen mit. Manchmal sind es aber zu viele und Ihr seid Euch dann nicht ganz im Klaren, ob Ihr dieses oder jenes Teil weglassen sollt, weil das Volumen oder das Gewicht zu groß wird, um das alles transportieren zu können (der Rucksack als kleinste „Verpackungseinheit“ als Paradebeispiel). Da wäre es doch sehr praktisch, wenn man weiß, welche Ausrüstung notwendig ist und welche nicht, also zum vermeidbaren Luxus gehört. Eine Reihenfolge des Ausrüstungs-Equipments nach deren Wichtigkeit kann in diesem Fall sehr sinnvoll sein. 

 

Jeder hat sich schon einmal Gedanken gemacht, ob ein Daunenschlafsack wichtiger ist als ein Kocher oder ein Zelt notwendig, eine Thermomatte eher nicht (oder doch umgekehrt?). Um hier eine Reihenfolge der Notwendigkeit von vielen unterschiedlichen Gegenständen zu bekommen, haben Spezialisten eine Methode entwickelt, um das sicher feststellen zu können.

 

Diese Methode nennt man „Paarvergleich“ und ist ein Teil der „Normierten Entscheidungshilfen“. Damit kann man verschiedene Dinge entsprechend ihrer Wichtigkeit sortieren, im Beruf, zu Hause, in der Freizeit, auf Reisen usw.

 

Dabei wird jeder Gegenstand mit jedem anderen verglichen, der wichtigere der beiden bestimmt und in einer Tabelle vermerkt, nach dem Motto: ist das Zelt oder die Thermomatte für mich wichtiger. Wenn ich jedes Utensil mit jedem anderen in Relation gesetzt habe und ich mich für eines der beiden als das wichtigere entschieden und in die Tabelle eingetragen habe, erhalte ich zum Schluss aus der Matrix eine Summe von Nennungen für jedes Teil. Das mit der höchsten Summe halte ich für das absolut erforderliche, das mit der niedrigsten Summe sehe ich dann als entbehrlich an.

 

Dem Auswahl-Prinzip liegt der Tatsache zu Grunde, dass man sich zwischen zwei Dingen leichter entscheiden kann, als zwischen vielen. Das hat man in einem Kaufhaus schnell gemerkt. Wenn man zum Beispiel nur zwei Fernseher zur Auswahl hat oder vor einem Angebot von über einem Dutzend steht. Oder an der Imbissbude, die nur Curry-Wurst oder Schaschlik anbietet, hat man sich schneller entschieden, als in einem Nobelrestaurant mit einer 20-seitigen Speisekarte.

 

Wenn es darum geht, einige Gegenstände zu Hause zu lassen, weil der Rucksack zu schwer geworden ist, die Packtaschen auf dem Fahrrad zu klein geraten sind und das schnittige Seekajak nicht das Volumen eines Containerboots wie mein Kodiak aufweist, weiß man dann genau, was man zu Hause lassen sollte.

 

Bei der Erstellung der Tabelle spielt natürlich das eigene Bedürfnis, die eigenen Vorlieben, die eigenen Kenntnisse/Erfahrungen, das eigene Wissen, der Einsatzort, die Jahreszeit usw. eine sehr große Rolle.

 

Ich will Euch an meiner extrem vereinfachten Tabelle (Matrix) einmal zeigen, wie ich so einen Paarvergleich für eine sommerliche Seekajak-Tour im Mittelmeer durchgeführt habe.

 

Aufstellung der mitzunehmenden Ausrüstung (kleine, beliebige Auswahl zum leichteren Verständnis): Kajak, Paddel, Zelt, Thermomatte, Tarp (Sonnensegel), Kocher, Geschirr (Grundausrüstung: Kochtopf, Besteck) Schlafsack, Paddelanorak, Schwimmweste, Klamotten (Grundausrüstung: Badehose, T-Shirt, Sporthose, Sandalen), Paddel-T-Shirt, Schirmmütze, Messer, Seekarten, Sonnenbrille.

 

Erstellung der Tabelle:

 

Man schreibt die Gegenstände untereinander in alphabetischer Reihenfolge und nummeriert sie durch. In der Waagerechten werden die Einzelteile in umgekehrter Reihenfolge ebenfalls angetragen. Wegen der Kompaktheit der Tabelle in der Waagerechten nur die laufende Nummer und zwei Buchstaben als Abkürzung (siehe Klammer).

 

Danach wird jedes Paar (z.B.: 01/16, 01/15, 01/14 … 14/15, 15/16) miteinander verglichen und der bevorzugte Gegenstand in die Tabelle eingetragen (meine Auswahl z.B.: 01/16 = Zelt/Ze, 1/15 = Theromatte/Tm …15/16=Thermomatte/Tm). In diesem einfachen Beispiel musste ich 120 Paare miteinander vergleichen.

 

Bei der Auswahl ist darauf zu achten, ob ich die Dinge unbedingt benötige, sie anderweitig ersetzen, durch Kenntnisse und Wissen Alternativen erarbeiten oder durch Erfahrung vor Ort, Ersatz beschaffen kann usw.

 

(Tabellen in der Schriftart „Courier New“ wegen der Einheitlichkeit der Matrix)

 

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zu vergleichende ----- 16 15 14 13 12 11 10 09 08 07 06 05 04 03 02 01

Gegenstände ---------- Ze Tm Ta Br Sw Ss Mü Sk Ts An Pa Me Ko Kl Ka Ge Summe

 

01 Geschirr(Ge)------- Ze Tm Ta Br Sw Ss Mü Sk Ts An Pa Me Ge Kl Ka XX -- 1

02 Kajak(Ka)---------- Ka Ka Ka Ka Ka Ka Ka Ka Ka Ka Ka Ka Ka Kl XX ---- 14

03 Klamotten(Kl)------ Kl Kl Kl Kl Kl Kl Kl Kl Kl Kl Kl Kl Kl XX ------- 15

04 Kocher(Ko)--------- Ze Tm Ta Br Sw Ss Mü Sk Ts An Pa Me XX ----------- 0

05 Messer(Me)--------- Me Me Me Me Me Me Me Sk Me Me Pa XX ------------- 11

06 Paddel(Pa)--------- Pa Pa Pa Pa Pa Pa Pa Pa Pa Pa XX ---------------- 13

07 P-Anorak(An)------- An Tm Ta Br Sw Ss Mü Sk Ts XX -------------------- 3

08 P-T-Shirt(Ts)------ Ts Tm Ta Br Ts Ts Mü Ts XX ----------------------- 7

09 See-Karten(Sk)----- Sk Tm Ta Br Sw Ss Mü XX -------------------------- 5

10 Schirm-Mütze(Mü)--- Mü Mü Mü Br Mü Mü XX ---------------------------- 10

11 Schlaf-Sack(Ss)---- Ss Ss Ta Br Ss XX -------------------------------- 7

12 Schwimmweste(Sw)--- Sw Sw Sw Br XX ----------------------------------- 7

13 Sonnenbrille(Br)--- Br Br Br XX ------------------------------------- 11

14 Tarp(Ta)----------- Ta Ta XX ----------------------------------------- 8

15 Thermomatte(Tm)---- Tm XX -------------------------------------------- 6

16 Zelt(Ze)----------- XX ----------------------------------------------- 2

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Zusammenstellung der Häufigkeit:

 

Dazu wird die Anzahl der Gegenstände aus der Tabelle herausgezählt. Zur leichteren Handhabung: Man zählt in der Waagerechten die Ausrüstung bis zum Doppel-X (XX) und addiert dann in der Senkrechten nach oben weiter. Nur in dieser Zeile und Spalte ist das betreffende Element enthalten.Die Häufigkeit jedes Teils wird in der Spalte „Summe“ eingetragen. In diesem Beispiel sind maximal 15 Nennungen möglich (siehe 03, Klamotten). 

 

Reihenfolge nach der Wichtigkeit:

 

Jetzt werden die Gegenstände nach der Häufigkeit gereiht und neu nummeriert. Bei gleicher Häufigkeit entscheidet man nach dem direkten Paarvergleich dieser beiden Utensilien. Ich habe zum Beispiel dem Messer gegenüber der Sonnenbrille den Vorzug gegeben, weil ich mit dem Messer eine Schlitzbrille nach dem Vorbild der Eskimos herstellen kann (siehe Fridtjof Nansen: „Eskimoleben“). Dadurch erhält man eine Reihenfolge nach seiner persönlichen Wichtigkeit.

 

01 - Klamotten (Kl) - 15

02 - Kajak (Ka) - 14

03 - Paddel (Pa) - 13

04 - Messer (Me) - 11

05 - Sonnen-Brille (Br) - 11

06 - Schirmmütze (Mü) - 10

07 - Tarp (Ta) - 8

08 - Paddel-T-Shirt (Ts) - 7

09 - Schlafsack (Ss) - 7

10 - Schwimmweste (Sw) - 7

11 - Thermo-Matte (Tm) - 6

12 - Seekarten (Sk) - 5

13 - Paddel-Anorak (An) - 3

14 - Zelt (Ze) - 2

15 - Geschirr (Ge) - 1

16 - Kocher (Ko) - 0

 

Wohlgemerkt, das ist meine persönliche Reihenfolge. Bei jedem von Euch könnte die Tabelle anders ausfallen und wird sie auch.

 

Als ich diesen Paarvergleich bei meiner Ausrüstung (wie in KP-04 - "Die von mir verwendete Ausrüstung für Langfahrten" beschrieben) durchgeführt habe, war der Aufwand schon sehr hoch, weil sich beim Zusammenzählen sehr schnell Fehler einschleichen konnten. Aber einmal gemacht, kann ich die Reihenfolge immer wieder verwenden, weil ich in der Regel laufend die selben Gegenstände benutze, gleiche Jahreszeit (Sommer) und gleiches Einsatzgebiet (Mittelmeerraum) vorausgesetzt. Da ich mehr der Tradition verbunden bin, habe ich den großen Vorteil, meine Ausrüstung nicht ständig erneuern und dem Mainstream anpassen zu wollen.

 

Ich habe mir vor Jahren einen damals hypermodernen Goretex-Textil-Kombi zum Motorradfahren angeschafft (naja, aufschwatzen lassen) und musste anschließend feststellen, dass mir bei strahlender Sonne mittags im August an den Ampelstopps in Sevilla der Schweiß in den Motorradstiefeln zusammengelaufen war. Goretex verliert die Ventilwirkung, je mehr sich die Außentemperatur der Körpertemperatur nähert. Moderne Thermomembrane funktionieren nur bei großen Temperaturunterschieden von innen = warm nach außen = kalt. Darum zeigen auch die Marketingstrategen in der Werbung die Membranwirkung mit Wasserdampf!. Jetzt fahre ich in den Süden auf dem Motorrad wieder mit meinem alten Leder-Kombi.

 

Computer-Freaks verwenden zum Ausrechnen natürlich die Tabellenkalkulation. Allerdings muss man die Entscheidung, welchen Gegenstand man bevorzugt, schon selber treffen.

 

Bei einer Kajaktour ist eine Mitnahme von mehren Dingen nicht ganz so schlimm, weil im Prinzip genügend Transportvolumen vorhanden ist. Beim Trekking ist eine Reihenfolge der notwendigen Ausrüstung schon von Bedeutung, denn man muss ja alles selber im Rucksack tragen und im Survival-Fall ist es überlebensnotwendig, nur das mitzunehmen, das absolut gebraucht wird. Als Paradebeispiel wird in der Survival-Literatur immer wieder der Rückzug der Truppen Napoleons aus Russland angeführt, in dem nur die französischen Soldaten überlebt haben, die nicht das geplünderte Gold, sondern warme Kleidung und genügend Lebensmittel mitgenommen haben (siehe Leo Tolstoi: „Krieg und Frieden“ - das Buch, nicht der Film!).

 

Wenn man die Berichte über Rettungsaktionen liest, bei denen von den Verunglückten das Falsche mitgeschleppt worden ist und es dann zur Katastrophe geführt hat, sollte man sich über die "Normierte Entscheidungshilfe" des Paarvergleichs schon einmal Gedanken machen.

 

Wenn Ihr dieses Auswahlverfahren ausprobieren wollt, beginnt zum Üben erst einmal mit einem kleinen überschaubaren Packen, z.B.: mit dem Survival-Kit, Erste-Hilfe-Box, Hygiene-Beutel usw. Bei einer umfassenden Zusammenstellung müsst Ihr aber auch die einzelnen Gegenstände der Ersten Hilfe und Hygiene extra aufführen. Denn es kann sein, dass andere Sachen wichtiger erscheinen als die in der Ersten Hilfe und bei der Hygiene. Ausnahme ist der Survival-Kit, wenn er optimal auf Eure Bedürfnisse, Kenntnisse und Wissen abgestimmt worden ist.