KF-09 - Ein Jugendtraum, fast verwirklicht

verfasst 2012 - geändert am 26.09.2012 

 

Als ich in der letzten Zeit im Rahmen einer Zusammenstellung von gebrauchsfähigen Landkarten meinen alten zerfledderten Schulatlas durchforstet hatte, fand ich einen Zettel mit einer Zusammenstellung einer Bootstour, die wir im Internat in unserer Jugendgruppe einmal in unseren Träumen geplant hatten: Eine Reise von unserem Internat am Tegernsee, die Mangfall hinunter und über den Inn in die Donau, dann weiter ans Schwarze Meer, an den Küsten der Ägäsis, des Ionisches Meeres und der Adria entlang bis nach Venedig. Wir hatten sogar Teilabschnitte festgelegt, die wir in den einzelnen Ferien zurücklegen könnten, so dass wir dann bis zum Schulabschluss unser Ziel Venedig erreichen hätten können. Mit einem unserer Ruderboote wollten wir die Strecke bewältigen. Natürlich ist das alles nur ein Jugendtraum geblieben!

 

Nachdem ich die in Kinderschrift gekritzelten Angaben gelesen hatte, musste ich schmunzeln, denn etwas später, in meiner Lehrzeit, hatte ich tatsächlich vorgehabt, eine ähnliche Tour allerdings mit dem Paddelboot von meinem Heimatort aus zu unternehmen - nicht in einem Zug, das war damals zeitlich unmöglich, aber zumindest partiell.

 

Nun ja, heute, rund 50 Jahre später, habe ich alle Ufer und Küsten zwischen Eining an der Donau und Venedig bereits bepaddelt. Es fehlt lediglich noch ein kurzes Teilstück, von meinem Heimatort auf unserem kleinen Wiesenfluss bis zur nächsten meiner Einbootstellen.

 

 

Bild 01: Unser Fluss, eigentlich mehr ein Bach, vor dem Mühlenwehr in meinem Heimatort. Die gelbe Farbe des Wassers stammt vom Löss, den heftige Regenfälle von den Feldern und Hopfengärten in den Fluss gespült haben. Wir nennen ihn deshalb auch den „gelben Fluss“ der Holledau, ähnlich wie die Chinesen den zweitlängsten Fluss ihres Landes, den Hwangho als den „gelben Fluss“ bezeichnen, der ebenfalls durch ein Lössgebiet fließt und dadurch die selbe ockergelbe Farbe aufweist.

 

 

Bild 02: Unser Bach mäandert romantisch durch ein breites Auen- und Wiesental mit zahlreichen Mühlen, die umtragen werden müssen. Zu achten ist unbedingt auf die überhängenden Weiden, die das Flussufer säumen, damit man nicht in und unter das Gebüsch getrieben wird.

 

Im „Bayerischen Fluss- und Zeltwanderbuch“ des Bayerischen Kanuverbandes wird er auf einer Strecke von 42 Kilometern im Frühjahr als befahrbar beschrieben. 27 km des Unterlaufs und dann weiter auf der Donau bis nach Kelheim habe ich unseren Fluss bereits mehrmals durchpaddelt. Es fehlen eben noch die letzten 15 km offiziell befahrbarer Strecke und dann noch einmal 14 km bis zu mir nach Hause. Ob diese 14 km schon jemand mit dem Paddelboot geschafft hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

 

In den 1960er Jahren wollte ich einmal so eine „Erstbefahrung“ durchführen. Das war in den Osterferien und es hatte kurz zuvor noch einmal geschneit. Bereits nach der ersten Umtragestelle war ich in einer Buhnenreihe aus Holzpfosten mit dem Paddel hängen geblieben und prompt baden gegangen. Der Müller konnte sich vor Lachen nicht mehr halten, als ich triefend Nass mit dem Paddel in der Hand an seiner Tür geklopft hatte und bibbernd fragte, ob ich nicht zu Hause anrufen dürfe, damit mich meine Eltern abholen.

 

Seitdem habe ich eine „Erstbefahrung“ von unserem „ Hwangho“ sein lassen. Aber reizen würde es mich schon, sagen zu können, ich kenne die gesamte Paddelstrecke von mir zu Hause bis nach Venedig und hab sie auch schon, zumindest in Teilabschnitten, befahren. Mal sehen, vielleicht raffe ich mich für die letzten 29 km doch noch einmal auf.

 

Allerdings spuckt in mir der Traum immer noch im Kopf herum, die gesamte Strecke einmal in einem Zug durchzupaddeln, sozusagen als Motto: Per Kajak von der Holledau aus zum Cappuccino-Trinken nach Venedig.