KF-10 - Kleine Anekdote über deutsche Freizeit-Skipper in Dalmatien

 

verfasst 2010 -geändert am 18.05.2013

 

Nachdem ich zu Hause meine Seekajakreise umfassend geplant und die Route, Überfahrten und Besonderheiten in meinem Fahrtenbuch (Seebären sagen dazu auch Logbuch) mit den Eckdaten dokumentiert habe, kann ich während meiner Tagesfahrt auf eine zusätzliche Navigation verzichten. Es reicht dann aus, nur auf Sicht zu paddeln, im Gegensatz zu den motorenden Seglern, die auf ihren Kiel aufpassen müssen, bei den häufig auftretenden Riffen und Untiefen im Mittelmeer.

 

Weil unsere Kajaks kaum einen Tiefgang aufweisen und wir mit unseren Booten leichter und schneller manövrieren können, sind wir gegenüber den „Jachties“ klar im Vorteil. Weil wir auch nicht so schnell sind, können wir sofort stoppen und zurückpaddeln, wenn eine Weiterfahrt brenzlig wird. Außerdem sind wir ein Leichtgewicht gegenüber den tonnenschweren modernen Jachten und unsere Kajaks halten da schon einige derbe Grundberührungen aus, zumindest mein stabiles Containerschiff, der Kodiak. Deshalb komme ich auch mit wesentlich einfacherem Kartenmaterial mit einem Maßstab von nur 1 : 750.000 aus, als mancher Skipper mit seiner Segeljacht und ihrem moderen elektronischen Equipment, die er sowieso meist nur mehr unter Motor fährt, weil er selbst kaum noch fähig ist, nur allein mit Segeln voranzukommen, nach meinen Beobachtungen zumindest bei meinen deutschen Landsleuten.

 

Wir Langtouren-Seekajaker verlassen uns da lieber auf eine genaue Beobachtung der Umgebung und unsere größere Erfahrung im küstennahen Bereich, weil wir uns eben viel näher am Ufer aufhalten und auch mehr mit der Natur verbunden sind, als der gängige germanische Freizeitkapitän in seinem Charterboot.

 

Natürlich gibt es auch bei den Seglern Ausnahmen mit großer Erfahrung und breitem Wissen. Das sind aber meist rar gesäte Jachteigner, die ihr Boot ganzjährig in einer Marina liegen haben, die selber regelmäßig, mehrmals im Jahr, auf dem Wasser sind, sich im angestammten Revier exzellent auskennen und auch zu uns eingefleischten Seekajakern ein äußerst freundschaftliches Verhältnis pflegen, im Gegensatz zu manchen Urlaubs- und Gelegenheitsskippern.

 

Als ich im Jahre 2010 in der Passage von Dugi Otok und den Kornaten einen Übernachtungsplatz suchen wollte und östlich der Insel Veli Buc in südliche Richtung paddelte, scheuchte mich das Horn einer dieser motorisierten Segeljacht von ihrem eingeschlagenen Kurs weg, als sie von hinten herangepirscht kam. Ich wunderte mich, warum der Skipper nicht die betonnte Passage der Vela Proversa benutzte. Als der Landsmann mit seiner Crew mit höchstens 6 m Abstand an mir vorbeirauschte und ich einige wohlvertraute Worte aus dem Repertoire der Fäkalsprache unserer autofahrenden Mitbürger vernahm, versuchte ich, ihm die Ausweichregeln auf See nahezubringen. Vielleicht hätte es eines Dolmetschers gebraucht, der meine Muttersprache in eine etwas verständlichere Form transferieren hätte können.

 

Aber so, wie sich manche Deutsche in ihren PS-starken, aufgedonnerten Straßenfahrzeugen auf den Autobahnen benehmen, verhalten sich ähnliche Typen scheinbar ebenso auf dem Wasser: Auch hier wird mit seinem Gefährt geprotzt, auch wenn es nur gechartert ist. Der Schwächere auf Gottes Erdboden, Straßen und Wasserwegen wird erbarmungslos aus den Weg geräumt, beziehungsweise abgedrängt, nach dem Motto: „Der Stärkere siegt, aber der Klügere gibt nach!“. Ich möchte dabei anmerken: „Wenn immer der Klügere nachgibt, regieren bald die Dummen!“ Ich schließe dabei Parallelen zur Politik nicht aus.

 

Gemächlich entschwand Deutschlands Stolz und Aushängeschild, der, überwiegend nur von uns selbst geliebten Nation, in der Bucht, in der ich einen Lagerplatz suchen wollte. Als ich um das Kap paddelte, sah ich die Jacht erneut. Dieses Mal stieg schwarzer Rauch aus dem Auspuff auf und ich bemerkte hektische Betriebsamkeit am Bug des Seglers. Langsam setzte die Jacht zurück, immer noch im schwarzen Rauch des schwer arbeitenden Diesels eingehüllt. Dann, endlich frei gekommen, drehte der Kahn bei und nahm Kurs auf mich zu. Nach einer kurzen Zeit, der Skipper hatte mich vermutlich jetzt gesichtet, drehte er ab und die Jacht zog in einer sehr großen Schleife in respektablem Abstand an mir vorbei. Vermutlich wollte der Skipper meinem Grinsen und meinen zu erwartenden Kommentaren im Angesicht seiner, insbesondere weiblichen Crewmitgliedern aus dem Weg gehen / motoren / segeln.

 

Was war geschehen? Die Jacht wollte über eine Untiefe, die in der Karte mit 3,5 m eingetragen war, zurück zur eigentlichen Passage. Wahrscheinlich hatte der Skipper die gekennzeichnete Einfahrt übersehen und war irrtümlich in die falsche Bucht getuckert. Er könnte auch gemeint haben, die Untiefe passieren zu können. Er könnte aber auch, vornehm ausgedrückt, zum Kartenlesen zu „unwissend“ gewesen sein ... oder er hat sich blind auf sein fortschrittliches Navigationsgerät verlassen, ohne dem sich der „moderne“ Mensch in der Natur heutzutage kaum noch fortbewegen kann oder zurechtfindet.

 

Ich hatte mir dann die flache Stelle angesehen. Mit der halben Paddellänge, also gut einen Meter, konnte ich den Grund erreichen. Es war also weit weniger, als die angegebene Wassertiefe in der Seekarte. Man sollte sich nicht allzu sehr auf fremde Informationen verlassen, sondern auf seinen gesunden Menschenverstand und genaues Beobachten vertrauen. Hätte der Skipper die Durchfahrt vor Ort besser auskundschaftet, hätte er die sich kräuselnde Wasseroberfläche erkennen müssen, die eindeutig auf eine Untiefe hindeutet. Aber aus Erfahrung kann man nur lernen! Siehe dazu auch meine Beiträge über die Grenzen von elektronischen Hilfsmitteln, insbesondere von GPS-Geräten.

 

Für mich war das ganze Tohuwabohu ein Segen. Ganz in der Nähe entdeckte ich nämlich einen winzigen Kiesstrand, was in den Kornaten eher selten vorkam und hatte dadurch einen schönen einsamen Lagerplatz gefunden.